Experten und Kommunen warnen vor Euphorie wegen guter Steuerdaten

Mahnung zu Festhalten an Konsolidierungskurs

Vor der neuen Steuerschätzung haben Experten und Kommunen vor Euphorie und überzogenen Erwartungen gewarnt. Die zu erwartenden Steuermehreinnahmen lösten die Finanzprobleme der Kommunen nicht, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Stephan Articus, der "Neuen Osnabrücker Zeitung" vom Dienstag. Der Wirtschaftswissenschaftler Achim Truger warnte im Deutschlandradio Kultur vor neuen Steuersenkungen. Der Arbeitskreis Steuerschätzung berät noch bis Donnerstag in Fulda über die neue Prognose für die staatlichen Einnahmen bis 2015.

Die Mehrheit der Städte müsse zusätzliche Einnahmen zunächst zum Abbau von Defiziten verwenden, argumentierte Articus. In vielen Kommunen gebe es keine finanziellen Handlungsspielräume mehr. Es sei aber eine gute Nachricht, "dass der Aufschwung den Städten hilft und den Aufstieg aus dem Tal der Tränen beschleunigt". So werde bei den Gewerbesteuereinnahmen ein Plus von mehr als 2,3 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahr erwartet. Dies belege, dass die Gewerbesteuer "eine gute Steuer ist".

Truger bezeichnete es als "leichtsinnig", in der aktuellen Lage über Steuersenkungen nachzudenken. "Eine verantwortungsvolle Finanzpolitik muss sich unserer Ansicht nach auch damit befassen, was passiert, wenn es mal wieder schlechter läuft mit der Wirtschaft", sagte der Experte der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, der Mitglied des Arbeitskreises Steuerschätzung ist. Truger äußerte sich skeptisch zu Prognosen, die von einem lange anhaltenden Aufschwung ausgehen.

Auch Politiker der Koalition bekräftigten den Vorrang der Haushaltskonsolidierung. Allerdings kamen aus CSU und FDP zugleich Forderungen nach steuerlichen Entlastungen besonders für den Mittelstand. Wenn es dafür wegen der höheren Einnahmen Spielräume gebe, "haben wir noch das Problem der Kalten Progression anzugehen", sagte die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe, Gerda Hasselfeldt, dem "Hamburger Abendblatt" vom Dienstag.

Der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Karl Heinz Däke, führte sogar einen großen Teil der Steuermehreinnahmen auf die Kalte Progression zurück. Mit jedem Prozent, das jemand zusätzlich verdiene, steige der Steuersatz um fast zwei Prozentpunkte, sagte Däke dem Hessischen Rundfunk. Er forderte daher eine Korrektur des Einkommensteuertarifs. Kritik an der Kalten Progression übte auch FDP-Generalsekretär Christian Lindner.

Die Parteichefin der Linken, Gesine Lötzsch, rief in Berlin dazu auf, ein Drittel der Steuermehreinnahmen zur Armutsbekämpfung und zur Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen zu nutzen, ein Drittel zugunsten einer sozial-ökologischen Energiewende und das restliche Drittel zur Haushaltskonsolidierung.

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sagte in Berlin, die Steuermehreinnahmen sollten ausschließlich zum Schuldenabbau sowie für die Neuausrichtung der Energiepolitik eingesetzt werden. DGB-Vorstandsmitglied Claus Matecki forderte eine Lockerung von Sparmaßnahmen in der Arbeitsmarktpolitik und finanzielle Hilfen für Kommunen.

Medienberichten zufolge rechnet das Bundesfinanzministerium bis 2014 insgesamt mit Mehreinnahmen von 136 Milliarden Euro, davon 69 Milliarden Euro für den Bund. Die Prognose des Arbeitskreises Steuerschätzung wird am Donnerstag bekanntgegeben.